Diskothek

Jonathan Winkler


The Element Of Freedom ist der Titel des Vortrags, mit dem Alicia Keys diesen Herbst durch amerikanische College-Hörsäle tourte. Dass so auch ihr aktuelles Album heißt, muss man wohl programmatisch verstehen. Früher habe sie sich in einen Raum eingesperrt und wochenlang an ihrer Musik gearbeitet, ließ die Sängerin und Pianistin verlauten, inzwischen schätze sie »die Freiheit des Spiels«. Wer nun exaltierte Beats oder unerhörte Arrangements erwartet, wird enttäuscht: Je nach Blickwinkel mutiert oder mausert sich Alicia Keys auf ihrem vierten Studioalbum vom Soul-Wunderkind zur Mainstream-Diva – und bricht damit ein frühes Versprechen. Auf ihrem Debüt Songs In A-Minor hatte sie die Rückkehr des Spirituellen in die von allen guten Geistern verlassene Groove-Hülse des Rhythm‚n‚ Blues gefeiert. Auch die Nachfolgealben glänzten mit einer seltenen Kombination aus Sozialkritik und alten Soultugenden.

Nun aber scheint Alicia Keys endgültig dem pathetischen Wohlklang verfallen: Offensichtlich hat sie vergessen, dass erst gewisse Bitterstoffe die Musik ihrer großen Vorbilder – Billie Holiday, Aretha Franklin und Nina Simone – so reizvoll machten. Und schon die Vorabsingle Doesn‚t Mean Anything wirkt wie einer dieser bunt glasierten Krapfen, die auf den ersten Blick Appetit machen, aber ziemlich schnell zur Übersättigung führen.

Und es wird nicht besser. The Element Of Freedom ist eine einzige Zuckerbäckerei: vollgestopft mit süßlichen Klavierornamenten und sirupartigen Melodien. Nicht einmal der Gesang – ihre heiser-überspannte, mal flötende, dann wieder rau fordernde Stimme – vermag es zu richten. Wenn so die Freiheit klingt, wäre es wohl besser gewesen, sie hätte sich allein mit ihrer Musik in einen Raum eingesperrt. Jonathan Fischer


Alicia Keys: The Element Of Freedom. J Records/Sony