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Manisches Geschepper

Wie Bob Log III den Blues rettet

Wenn sich eine Bluesband ankündigt, zumal eine weiße Bluesband, schunkelt normalerweise ein Bierbauch-in-Lederjacken-Publikum zu zwölftaktigen Klischeeorgien. Doch normal ist an Bob Log III gar nichts: Nicht nur weil die Einmann-Bluesband aus Tucson, Arizona, an einem Montagabend eine Menge junge Hipster in den Münchner Technoclub Rote Sonne lockte. Oder weil ihr der Ruf vorauseilt, braven Boogie genauso zu verachten wie Brokkoli und Evian-Wasser. Nein, wenn Bob Log III in Glitzer-Overall und mit Motorrad-Integralhelm auf die Bühne schlurft, auf seine Gitarre einschlägt, während er mit den Füßen ein Sammelsurium von Krachinstrumenten traktiert, dann ist von der ersten Gesangszeile an klar, dass er nicht gekommen ist, um altes Silber zu polieren. Er will respektlos verbiegen, verschmutzen und überhaupt wie der Trickster in der Bluesfabel alles allzu ehrwürdig Erstarrte über den Haufen spielen.

Bereits auf seiner ersten Soloplatte „School Bus” streute Bob Log III das Gerücht, er habe eine Hand bei einem Unfall verloren und dafür eine Affenpfote transplantiert bekommen. Das könnte die tierische Energie seines Gitarrenspiels erklären. Das manische Hochgeschwindigkeits-Geschepper. Seinen in jeder Hinsicht eigenwilligen Stil fand Bob Log III, als ihn der Schlagzeuger seiner früheren Band The Doo-Rags mitten in einer Tournee sitzen ließ. Er hatte nur diesen Motorradhelm – und einen Gitarrenkoffer als Schlagzeugersatz. Das reichte, um als One-Man-Act weiterzumachen. Und das Publikum über einem am Helm befestigten Telefonhörer mit Zoten und „Cheers Motherfuckers”-Rufen bei Laune zu halten. Sobald die ersten Frauen vor der Bühne tanzen, dehnt Bob Log III das entsprechende Riff sowieso nach Belieben. Und krächzt atemlos aus seinem Helm: „I Want Your Shit On My Leg”.

Perfekter Dreck

So etwa könnte ein Mix der schweinischsten alten Blues-Schellacks klingen, wenn man das Ganze durch eine Beatbox jagt, die an einen Rasenmäher angeschlossen ist. Bob Log III hat alles zusammengetragen, was am Blues exzentrisch und laut ist. Seine Verkleidung verleiht ihm dabei eine gewisse Immunität: Warum nicht glauben, dass der Helm auch als „Sicherheitsvorkehrung” gegenüber einer rachsüchtigen Ex-Freundin dienlich ist? „My Shit Is Perfect” heißt der Titel von Bob Log IIIs letztem Album: Auf der Suche nach dem perfekten Dreck. Denn so gern Log auch den schrammelnden Blues-Alien markiert. Seine Slide-Gitarre spielt er phantastisch versiert. Und während er mit dem rechten Fuß die Basstrommel, mit dem linken zwei Rhythmusmaschinen und ein Becken bedient, steigert er sich immer wieder auf Techno-Geschwindigkeit. „Es ist das lauteste, merkwürdigste Zeug, das man jemals gehört hat”, erklärte Tom Waits einmal. Und verglich Bob Log III mit „Typen, die Makkaroni auf Pappe kleben und mit goldener Farbe anmalen. Genauso will ich sein”

Immerhin ist der weiße Adept bei Blues-Dinosauriern wie R.L. Burnside, Cedell Davis oder T-Model Ford in die Lehre gegangen. Nur dass Bob Log III deren gewalttätige Juke-Joint-Musik im doppelten Tempo spielt, den Stoizismus der alten schwarzen Männer und Fat-Possum-Labelkollegen zur Freakshow hochkocht. „Du hängst wie ein schmutziges Hemd im Groove”, schwärmte einst sein Mentor R. L. Burnside. Und meinte damit wohl auch Bob Log IIIs athletischen Einsatz. Am Ende will keine Dame das Angebot annehmen, als zusätzliche Beinbeschwerung beim Schlagzeugspiel auf seinem Knie zu sitzen. Vielleicht weil der Mann dauernd „Boob Scotch” krächzt? Keine Frage: Dieser Cocktail aus Alkohol, Krach und Sex ist lächerlich. Versaut. Wahnsinnig primitiv. Und die schlagendste Waffe gegen alle Bluesverwalter. JONATHAN FISCHER